Die Rahmenbedingungen für den ÖPNV verändern sich seit einigen Jahren massiv. Das umfasst Aspekte wie die branchenspezifische Kostensituation, die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt (Fachkräftemangel), gesetzlich normierte oder von Fahrgästen gestellte Anforderungen an das System.
Analog dazu stellt der VVOWL eine starke Steigerung der finanziellen Aufwendungen im ÖPNV fest, insbesondere für die Kommunen. Die Zuwendungen seitens des Landes in Form von Ausgleichszahlungen und –pauschalen sowie Zuwendungen nach §§ 11 Abs. 2 und 11a ÖPNVG Gesetz NRW hingegen sind kaum gestiegen. Das führt dazu, dass die kommunalen Zuschussbedarfe für den ÖPNV vor Ort zunehmend höher werden; eine Entwicklung, die auch bei den kommunalen Aufgabenträgern im VVOWL-Gebiet festzustellen ist.
Aus diesem Anlass befasste sich der VVOWL auf seiner Verbandsversammlung am 17. März 2022 mit dieser Thematik. Die Mitglieder der Verbandsversammlung haben eine gemeinsame Empfehlung verfasst, in welcher sie sich für eine Reform der ÖPNV-Pauschalen einsetzen.
Dieses Schreiben wurde an die Verkehrsministerin des Landes NRW sowie an die Landtags- und Bundestagsabgeordneten aus den Kreisen Herford, Lippe, Gütersloh und Minden-Lübbecke sowie der kreisfreien Stadt Bielefeld versendet:
Dringend notwendige Reform der ÖPNV-Pauschalen gefordert!
Regeln vereinfachen | Pauschalen anpassen
Als kommunaler Zweckverband wirkt der Verkehrsverbund Ostwestfalen-Lippe (VVOWL) auf eine enge Zusammenarbeit mit und zwischen seinen Mitgliedern im Bereich des ÖPNV hin. Seine Mitglieder sind die Stadt Bielefeld sowie die Kreise Gütersloh, Herford, Lippe und Minden-Lübbecke. Diese wollen die Umgestaltung hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft und Wirtschaft kraftvoll unterstützen. Alle Mitglieder des VVOWL sind nach § 3 ÖPNVG NRW Aufgabenträger des ÖPNV. In dieser Funktion schaffen sie mit der Planung, Organisation und Ausgestaltung eines attraktiven ÖPNV-Angebots in enger Zusammenarbeit mit den hiesigen Verkehrsunternehmen sowie den kreisangehörigen Städten und Gemeinden in der Region bereits seit Jahren wichtige Grundlagen dafür, dass die angestrebten Transformationsprozesse hin zu Klimaneutralität gelingen können.
Starke Kostensteigerungen führen zu Finanzierungslücken
Allen an diesen Prozessen beteiligten Akteuren ist dabei bewusst, dass ein weiterer flä-chendeckender Ausbau des ÖPNV notwendig zum Erreichen der Klimaziele im Ver-kehrssektor ist; auch wenn dies aus finanzieller Sicht eine Herausforderung ist. Denn die spezifischen Kosten für das Vorhalten des ÖPNV-Angebots für Personal, Diesel und Fahrzeugvorhaltung steigen seit Jahren. Dies und die Tatsache, dass die zur Verfügung stehenden Finanzierungsquellen des ÖPNV bisher nicht im gleichen Maße wie die Kosten steigen konnten, hat in der Vergangenheit bereits großräumig dazu geführt, dass die Aufgabenträger des ÖPNV vielerorts direkt in die Finanzierung des ÖPNV einsteigen mussten. Mit den zu erwartenden zusätzlichen Kosten aus der Umsetzung des Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungsgesetzes oder den Folgen des Krieges in der Ukraine wird sich der auf die Aufgabenträger zukommenden Finanzierungsaufwand noch massiv verstärken.
Bei näherer Betrachtung der wesentlichen Finanzierungsquellen stellen wir dabei fest, dass die reinen Fahrgeldeinnahmen zwar wachsen, aber keinesfalls in dem Maße wie die zukünftig zu erwartenden Kostensteigerungen. Da die Zahl der den ÖPNV für den Schulweg nutzenden Schülerinnen und Schüler indes ohnehin nicht nennenswert wach-sen wird, müsste die Kostensteigerung allein aus dem Anwachsen des Segments der Jedermannfahrgäste refinanziert werden, was in der notwendigen Größenordnung auf absehbare Zeit ausgeschlossen sein dürfte. Eine massive Erhöhung von Ticketpreisen ist andererseits auch keine Lösung, da diese eher kontraproduktiv wirken würden.
ÖPNV-Pauschalen: zu niedrig, zu komplex
Neben den Fahrgeldeinnahmen stellen die ÖPNV-Pauschalen des Landes NRW eine wichtige Finanzierungsquelle dar. Hier ist ein Ansatzpunkt gegeben, der bei der Bewältigung der Herausforderungen sehr wohl helfen kann. Wir stellen hier zunächst Folgendes fest:
- Die SPNV-Pauschale nach § 11 Abs. 1 ÖPNVG NRW ist in Verbindung mit der Rechtsverordnung mit wenigen Auflagen und mit einer stetigen Dynamisierung versehen. Dies führte bisher zu einer auskömmlichen Finanzierung des SPNV (die auf den NWL entfallenden Mittel stiegen in der Zeit von 2012 bis 2022 um mehr als 45%); eine Co-Finanzierung durch die Kreise und kreisfreien Städte war bisher nicht notwendig. Der mit der Abwicklung verbundene Verwaltungsaufwand ist niedrig.
- Anders als im SPNV werden den Aufgabenträgern des (straßengebundenen) ÖPNV zwei Pauschalen gewährt.
a. Die ÖPNV-Pauschale nach § 11 Abs. 2 ÖPNVG NRW ist anders gestaltet als die Pauschale für den SPNV. Die Mittel fallen zunächst erheblich niedriger aus als die Mittel für den SPNV. Zudem fehlt die stetige Dynamisierung, einmalig wurden die Mittel landesweit um rd. 18% erhöht. Die Mittel werden alle drei Jahre neu verteilt, womit einzelne Aufgabenträger im Laufe der Zeit weniger Mittel erhalten. Die auf alle ÖPNV-Aufgabenträger (inkl. der kreisangehörigen Kommunen mit Aufgabenträgerstaus) im Verbandsgebiet des VVOWL entfallenden Mittel stiegen in der Zeit von 2012 bis 2022 nur um etwa 12% an. Die betroffe-nen ÖPNV-Aufgabenträger müssen 30 Prozent der Pauschale als „Anreiz zum Einsatz neuwertiger und barrierefreier Fahrzeuge“ verwenden.
b. Die Ausbildungsverkehr-Pauschale nach § 11a ÖPNVG NRW ist völlig anders gestaltet als die o. g. Pauschale für den SPNV oder auch der Pauschale für den ÖPNV. Der Zweck der Pauschale ist vereinfacht gesagt ein Ausgleich zu den entstehenden finanziellen Defiziten im Ausbildungsverkehr. Auch die Mittelhöhe dieser Pauschale fällt erheblich niedriger aus als für den SPNV. Auch hier fehlt die stetige Dynamisierung. Die auf alle ÖPNV-Aufgabenträger im Verbandsgebiet des VVOWL entfallenden Mittel sind in der Zeit von 2012 bis 2022 nicht angepasst worden.
Auch mit beiden Pauschalen zusammen besteht keine auskömmliche Finanzierung des ÖPNV, es bleibt die Notwendigkeit einer erheblichen Co-Finanzierung durch die Kreise und kreisfreien Städte, die letztendlich zu einer zusätzlichen Belastung der ohnehin stark belasteten Kommunen führt. Dazu kommt der mit der Abwicklung verbundene Verwaltungsaufwand und die hierfür eingesetzten Personalressourcen, der bei den Aufgabenträgern, Verkehrsunternehmen und Tarifverbünden entsteht, sind als ausgesprochen hoch zu bezeichnen.
Regelungen vereinfachen, Mittel erhöhenVor dem geschilderten Hintergrund hat sich die Verbandsversammlung des VVOWL in ihrer Sitzung am 17.03.2022 dafür ausgesprochen, die folgenden Anregungen zu einer Reform der Pauschalen nach dem ÖPNV-Gesetz NRW zu geben:
- Die inhaltliche Ausgestaltung der SPNV-Pauschale nach § 11 Abs. 1 ÖPNVG NRW sollte beibehalten werden. Sie besticht in ihrer Abwicklung durch eine einfache Handhabung, die wenig Personal in den beteiligten Verwaltungen bindet. Sie sollte als gutes Beispiel und Vorlage für eine Reform der den ÖPNV-Aufgabenträgern gewährten Pauschalen dienen.
- Die Dynamisierung der Mittel der SPNV-Pauschale nach § 11 Abs. 1 ÖPNVG NRW sollte an die spezifische Kostenentwicklung des SPNV angepasst werden. Hierzu können vom statistischen Landes- oder Bundesamt veröffentliche Preisindizes her-angezogen werden.
- Die Höhe der Mittel der ÖPNV-Pauschale nach § 11 Abs. 2 ÖPNVG NRW sollte ein-malig um die bisher nicht erfolgte Dynamisierung aufgestockt werden; bezogen auf 2012 wäre eine Erhöhung um mindestens 50% angemessen. Die Dynamisierung der Mittel sollte an die spezifische Kostenentwicklung des ÖPNV angepasst werden. Hierzu können vom statistischen Landes- oder Bundesamt veröffentliche Preisindizes herangezogen werden.
- Die inhaltliche Ausgestaltung der ÖPNV-Pauschale nach § 11 Abs. 2 ÖPNVG NRW sollte um die nicht notwendige Auflage des Anreizes zum Einsatz neuwertiger und barrierefreier Fahrzeuge bereinigt werden. Entsprechende Anforderungen an die Fahrzeuge werden ohnehin in den Nahverkehrsplänen der ÖPNV-Aufgabenträger definiert und dann umgesetzt. Die Auflage bei der Gewährung der ÖPNV-Pauschale ist daher unnötig und zieht unnötigen Personalaufwand nach sich.
- Die Pauschale nach §11a ÖPNVG NRW sollte als eigenständige Pauschale abgeschafft werden, mit den Mitteln sollte die ÖPNV-Pauschale nach § 11 Abs. 2 ÖPNVG NRW aufgestockt werden; dort kann dann eine Auflage aufgenommen werden, dass mit den Mitteln entstehende Defizite im Ausbildungsverkehr auszugleichen sind. Die Instrumente zur Weiterleitung der Mittel an Verkehrsunternehmen (Erlass einer Satzung oder Abschluss Öffentlicher Dienstleistungsverträge) kann jeder Aufgabenträger im eigenen Ermessen festlegen. Mit einer Zusammenführung dieser Pauschale mit der ÖPNV-Pauschale würde erheblich dazu beigetragen, den heute notwendigen Verwaltungsaufwand zur Abwicklung der Mittelverteilung massiv zu senken. Das Personal bei den Aufgabenträgern, Verkehrsunternehmen und Tarifverbünden könnte damit zukünftig für sehr viel sinnvollere Tätigkeiten eingesetzt werden, um die Verkehrswende aktiv voranzutreiben. Vor dem Hintergrund eines zunehmend problematischen Fachkräftemangels in der ÖPNV-Branche würde die Befreiung von anachronistischen Regeln an dieser Stelle viel Potenzial freisetzen.